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Der Glaube an die Trinität (auch Heilige →Dreifaltigkeit , Dreieinigkeit geht von der Vorstellung von ‘drei Personen in einer einzigen göttlichen Wesenheit’ aus (Vater, Sohn, Heiliger Geist). Die Wortbildung wird Tertullian (gest. um 222) als Verschmelzung von lat. ‘tres’ (drei) und ‘unitas’ (Einheit) zu ‘trinitas’ zugeschrieben. Das (1.) Konzil von Nicäa, 325 von Kaiser Konstatin einberufen, vollzieht den Übergang vom alttestamentlichen Monotheismus und den in älteren Taufformeln vorgeprägten Tripel Vater, Sohn und Heiliger Geist zum dreifaltigen Gottesbild.
Spätestens von diesem Ereignis an, an dem angeblich mehr als 2000 Delegierte von Assyrien bis Spanien und jedenfalls sicher ca. dreihundert Bischöfe teilnahmen, ist das Christentum nicht mehr nur eine Glaubensgemeinschaft sondern eine soziale Institution mit kodifizierten Regeln und Instanzen, die deren Einhaltung überwachen. Das Bekenntnis zur Heiligen Schrift, in welcher Form auch immer, reicht für die Zugehörigkeit nicht mehr aus. Das Alte und das Neue Testament machen zum Wesen Gottes kaum Aussagen. Das Glaubensbekenntnis ist eine soziale Verabredung, und sie kann deshalb auch immer wieder - nach Regeln - verändert werden, was bekanntlich häufig geschehen ist. Dieser sozial-institutionelle Charakter des Christentums kann gar nicht genug herausgestrichen werden, weil er bis heute des Religionsverständnis Europas prägt. Und er stellt dem NTD die Aufgabe, ebenfalls über seinen sozialen Charakter nachzudenken. Dies geschieht, indem das Denken/Glauben in eine individuelle, soziale und kulturelle Praxis eingebaut wird.
Nach 380 (Dreikaiseredikt) und dem 1. Konzil von Konstantinopel (381) gelten als Christen nur diejenigen, die 'an die eine Gottheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes bei gleicher Majestät und Heiligen Dreifaltigkeit' glauben.
Viele Auseinandersetzungen in der frühchristlichen Kirche, spätestens seit dem Auftreten des Presbyters Arius (317) bis zur 11. Synode von Toledo 675 lassen sich erstens als Streit darüber verstehen, ob Gott überhaupt als emergentes Produkt einer Trias gedacht werden kann (was die Arianer verneinten) und zweitens, welche Verhältnisse zwischen Faktoren der Trias herrschen soll.
Die Mannigfaltigkeit der göttlichen Trinität wurde von den Kirchenvätern und Konzilien also im wesentlichen als ein Problem der → Komposition behandelt. Die Komponenten der Trias, Vater Sohn und Heiliger Geist, waren unumstritten, nicht aber die Beziehungen zwischen den Faktoren. Damit einher ging die Frage nach den → Qualitäten der Faktoren, anfangs vor allem nach jenen von Jesus Christus: Wie ist die Qualifizierung 'Ganz Mensch, ganz Gott' zu denken bzw. zu bekennen?
Vor allem im Osten, in den Gebieten, die zunehmend von Konstantinopel aus dirigiert wurden, verlagerte sich die theologische Diskussion von der Trinität zur Christologie. Dabei ging es der zweiten Hälfte des 4.JHs nahezu ausschließlich um die Klärung der Beziehung zwischen Christus als sterblichen, leidensfähigen Menschen einerseits und seiner göttlichen Existenz andererseits. Einen gewissen Abschluß fanden diese Debatten im Oktober 451 in der Kaiserresidenz Chalkedon, unweit von Konstantinopel. Auf der Synode verabschiedete man das Bekenntnis, das sogenannte Chalcodense, zu Christus als einer Person in zwei Naturen: 'vollständig in der Gottheit, vollständig in der Menschheit; doppelt geboren, mit zwei Naturen, die ohne Vermischung existieren.'
Das Bekenntnis ist völlig gefangen im dualistischen Denken - mit verheerenden Folgen für den triadischen Denkstil und das Alleinstellungsmerkmal des Christentums. Das zu erklärende Objekt - hier Jesus Christus - wird als das emergente Produkt nicht aus drei Faktoren - wie im Trinitätskonzept - sondern aus zwei Faktoren/Naturen hergeleitet. Damit hatte das triadische Denken seine Blüte in Kleinasien - und in den Ostkirchen - überschritten. Man wagte nicht den Schritt, die Trinitätstriade zu einer Triadentrias auszubauen, und auch die Faktoren: Vater , Sohn und Heiliger Geist nochmals als Produkt einer Trias zu erklären.
Dabei hätte man den Sohn durch aus triadisch beschreiben können, z.B. als getauften Jesus und damit als Glied der Gemeinschaft der Gläubigen, als Sohn Marias und damit 'ganz Mensch', und als wesensgleich mit Gott, gleichurspünglich und ewig. Viele Möglichkeiten sind glaubhaft.
Die Reduktion der Qualitäten und Beziehungen auf die binäre Schematisierung war ein Rückfall auf alttestamentarische Traditionen und machte die Christen in der Folge im Osten anschlußfähig an den Islam (und umgekehrt): Hier Gott - dort die Menschen. Eine Unterdrückung der Christen durch die Mohammedaner setzte erst nach 900 und massiv dann während der Herrschaft der türkischen Mameluken (ab 1250) ein. Bis dahin koexistierten die Religionen; man betrachtete die jeweils andere als bloße Häresien - Abweichler an einer gemeinsamen Sache. (So etwa Johannes von Damaskus (ca.650 - 750) in: De haeresibus)
Die theologische Diskussion nahm in Süd- und Westeuropa, begünstigt - anfangs - durch eine weit geringere Einmischung der politischen Potentaten in die kirchlichen Angelegenheit, einen etwas anderen Verlauf. Eine so deutliche Spaltung in Gliedkirchen (Nestorianer, Jakobiten, Armenier, Kopten), wie sie sich durch die Haltung zur christologischen Frage im Osten festigte, blieb dem Westen - bis zur Reformation - erspart. Die Weiterentwicklung dreifaltigen Denkens (z. B. Tertulians) bestimmte die Arbeit der Theologen und sie wurde der dualistischen Christologie jedenfalls nicht dauerhaft untergeordnet.
- "Marius Victorinus entwickelten in seinen vier Büchern 'Adversus Arianum (Gegen Arius) eine komplexe Trinitätslehre. Hilarius legte mit De trinitate (Über die Trinität eine umfassende trinitätstheologische Erörterung vor, an die Augustin anknüpfte."(Hauschild/Drecoll 2019,:370x Paradigmatisch ist hierfür das Wirken Augustins (354-430) und seine nachhaltige Rezeption im Mittelalter. Es war kaum möglich sich am theologischen Diskurs zu beteiligen, ohne seine 15 Bücher 'De trinitate' zu kennen.
In dieser Auseinanderentwicklung zwischen den ost- und den westkirchlichen Diskursen dürfte Ursachen für die Trennung der west- und der osteuropäischen und kleinasiatischen Kulturen liegen. Die Denkstile unterscheiden sich. Nur im Westen nehmen die triadischen Prinzipien - wie subkutan auch immer - entscheidenden Einfluß auf die Weltanschauung. Das kann man bei Augustin gut sehen, der für viele Lebensbereiche Triaden entwickelte. Besonders wichtig ist seine Übertragung der göttlichen Trinität auf den Menschen: Auch das Menschenbild sollte triadisch - wie auch immer - modelliert werden. Immer wieder greifen die mittelalterlichen Philosophen auf Trias zurück. So brechen denn die Traditionslinien bis zur dreifaltigen Bestimmung der Gewaltenteilung in den Nationalstaaten der Neuzeit nicht ab.
PDF: Mittelalterliche Modelle der Trinität
Das 'Neue' im Verständnis der Trinität im NTD
Das Neue Triadische Denken® versteht die Dreifaltigkeit als → Komplexität und die Komplexität als Interaktion von Komposition, Qualität und Quantität. Damit ergibt sich die innovative Möglichkeit, neben der Komposition und den Eigenschaftszuschreibungen auch quantitative Verhältnisse zwischen den Faktoren der Trias zu berücksichtigen.
Das hat u.a. den Effekt, daß an die Stelle von (qualitativen) Entweder-Oder-Aussagen ein Mehr oder Weniger treten kann. Binarität/Bipolarität läßt sich in quantitative Differenzierung auflösen.
Das Neue Triadische Denken prämiert Komponenten der Trias und stellt eine quantitative Rangordnung zwischen den gleichwertigen Faktoren her. Dies hat u.a. die erhebliche Konsequenz, daß im NTD Heterogenität hervorgehoben wird. Die Trias ist heterogen, unitas gibt es nur in einer Triade und im christlichen Bekenntnis zu Gott als emergenten Produkt der Trias.
Es ließe sich eine Geschichte der christlichen Glaubensrichtungen danach schreiben, welche Rangordnungen sie zwischen den drei Faktoren jeweils anwenden. Obwohl Gott immer zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, tritt er dem Menschen mal mehr als Heiliger Geist (in der Offenbarung), mal als Sohn (z. B. im Neuen Testament als Jesus gegenüber den Aposteln) und dann wieder, wie in vielen Episoden des Alten Testaments, als strafender oder gütiger Vater entgegen.
Wenn der Triadiker vom Sohn Jesus Christus spricht, dann meint er eine dreifaltige Trias, in der der Sohn größeren Raum als die anderen Faktoren einnimmt. Ohne den Bezug auf den Vater und den Logos/Heiligen Geist gibt es Jesus Christus nicht. Er ist Sohn nur insofern er Anteil am Vater hat, von ihm Qualitäten erbt. Er ist göttlich auch insofern der Heilige Geist in ihm wirkt. In Beziehung auf den "Gott des Alls" (Dionysius von Rom) gibt es allerdings qualitative und kompositorische Unterschiede: Alle drei Faktoren liegen auf einer andere Ebene als Gott, aber zugleich liegen alle Faktoren auf einer Ebenen und sind insoweit gleichwertig. Es gibt keine "Subordination"in der tektonischen/vertikalen Dimension.
Nach triadischem Verständnis ist eine Komposition das Produkt aus Elementen, Ebenen und Beziehungen. Der Faktor Ebene spielt in der frühchristlichen Diskussion selten eine explizite Rolle. Und das hat sich bis heute wenig geändert: Üblich ist es immer noch Gott und Gottvater zu identifizieren.
Bei jeder Anwendung triadischer Modelle findet eine Prämierung des einen oder anderen Faktoren der Trias statt. Das gilt auch für das Modell der Trinität. Im Alten Testament (und für diejenigen, die dieses Testament bevorzugen) gleichen sich (Gott)Vater und Gott an. Das Neue Testament fokussiert - klarerweise - auf den Sohn, Jesus. Ohne Jesus, mediatisiert durch das Neue Testament, gibt es keine christliche Dreifaltigkeit. Zur Zeit des Konzils in Nicäa spielte der Faktor Heiliger Geist kaum eine Rolle. Die Rangordnung zwischen den Faktoren der Trias zu jener Zeit läßt sich mit dem folgenden asymmetrischen Knoten ausdrücken:
Die Mystiker berufen sich auf den Heiligen Geist und dessen inneren Eingebungen. Gleichwohl brauchen sie ob dieser Prämierungen nicht die Dreifaltigkeit in Frage zu stellen.
Man kann sogar behaupten, daß sich die religiösen Richtungen gerade durch diese Prämierungen der einen oder anderen Relation und des einen oder anderen Faktors auszeichnen. Ihre Identität liegt in der Abweichung von der Egalität und jeder homogenen Ausprägung. So mißtrauten Calvin den Gefühlen und damit den inneren Stimmen, letztlich den Sensoren, durch die sich der 'Heilige Geist' dem einzelnen Menschen offenbarte. Das setzte ihn nicht nur in den Gegensatz zu mystischen religiösen Strömungen, sondern schwächte überhaupt die Bedeutung dieses Faktors der Heiligen Dreifaltigkeit für die Reformation in Genf.
Luther bestimmte in seinem Kleinen Katechismus klar die Grenzen von Umweltwahrnehmung und Vernunft und die Funktion der dritten göttlichen Kraft: "Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten..." (2. Hauptstück, 3. Artikel) Die Berufung auf die inneren Stimmen schwächte klarerweise die - äußere - Stimme des Vatikans als Nachfolger Petri.
Wenn man das Christentum unbedingt als Monotheismus fassen will, dann ist es ein trichotomer und kein monolithischer Monotheismus.
Radikaler Monotheismus scheint kein guter Nährboden für triadisches Denken zu sein. Er fördert monokausales Denken und macht letztlich ein In-der-Schwebe-Halten von Urteilen überflüssig.