Axiomatik




Programme

Programme sind im triadischen Verständnis ein Typus von Informationen neben den Daten und Werten. Programme und → Modelle liegen auf gleichem Emergenzniveau.

Programme sind der dynamische Spezialfall von Modellen über dynamische Objekte.

Deshalb gibt es theoretisch zu allen Modellen auch Programme und alle Programme erzeugen Modelle. (Z.B.: Beziehung - Beziehungsgestaltung, Komplexität - Komplexitätsbewältigung)
Zusammenhänge zwischen Daten, Modellen und Programmen
Während die Modelle Auskunft über die Zustände der Phänomene, Objekte und Gegenstände der Wahrnehmung, des Denkens und Handelns geben, sagen die → Programme, wie sie erzeugt und gestaltet werden, beschreiben Prozesse.
Programme ordnen Abläufe für die Praxis und ihre Bestandteile, vor allem für die Praktiker. Die Programme können mehr oder weniger genau formuliert sein und haben entsprechend einen mehr oder weniger weiten Geltungsbereich.

Triadische Programme können nur temporär einzelne Prozesse isolieren und diese dann steuern und regeln.
Immer ist die Grundannahme zu berücksichtigen, daß jeder Prozeß als das Ergebnis der Interaktion von drei Prozessen zu verstehen ist.
Die TriPrax nimmt für alle Prozesse drei Generalphasen an: Vorbereiten und Starten, Laufen/Funktionserfüllung und Beenden.
Diese Phasen lassen sich weiter untergliedern. Alle Phasen werden durch eigenen Programme gesteuert und geregelt. Starten, Laufen, Stoppen sind Faktoren aller Programme.
Programme werden entwickelt, angewendet und beurteilt/evaluiert. Die Beurteilung setzt Wertmaßstäbe ein, womit auch die Werte als dritter Faktor der Informationstypentriade in Anschlag kommt.

Nach der Höhe des Abstraktionsgrades kann man - absteigend - Maximen, Regeln und komplexe Programme unterscheiden.

  • Maximen ('Heirate Deinen Feind!') und Regeln ('Eins nach dem anderen!') werden im Alltag und im NTD und der TriPrax verwendet, ohne daß sie triadisch aufgebaut sein müssen.
  • Triadische Programme sind im Gegensatz dazu grundsätzlich triadisch aufgebaut, bestehen also aus drei Phasen, sind das emergente Produkt von drei Prozessen, Abläufen oder ähnlichen Faktoren.
  • 'Programme' werden, wenn es auf Differenzierungen nicht ankommt, als Oberbegriff pars pro toto genommen.
  • Maximen, Regeln und Programme werden in jeder Praxis - mehr oder weniger explizit - in ein Verhältnis gesetzt. Z.B. gibt es für die meisten Programme Maximen für den Fall, daß es Schwierigkeiten bei der korrekten Durchführung gibt. Maximen für den Umgang mit Abweichungen sind bei vielen sozialen Programmen vorgesehen.
  • Triadische Programme ordnen die Prozesse triadisch. Ihr Einsatz in der Praxis hängt immer von architektonischen, dinglichen (Ressourcen) und zeitlichen Voraussetzungen ab, die geprüft werden sollten.

Die praxeologischen Generalprogramme

Die Generalprogramme leiten sich aus den unaufhebbaren und deshalb permanenten Problemen der Praxis ab. Das sind:
Permanente Probleme der Praxis

Die Absoluten Programme

Die Absoluten Programme leiten sich aus den Absoluten Modellen und Grundannahmen der Triadischen Weltanschauung und Philosophie ab.

  • Aus der Grundannahme des Wandels folgen die Programme des Transformierens.
  • Aus der Annahme von Mannigfaltigkeit und deren Modellierung als Komplexität folgen die Programme der Komplexitätsbewältigung.
  • Aus dem Verbindungsreichtum und dem Faktor Konnexion der Urtriade folgen die Programme der Beziehungsgestaltung und des Relationierens/Verbindens.

Absolute Programm der Komplexitätsbewältigung

Komplexität als Voraussetzung triadischer Praxis (TriPrax) und Triadischen Denkens (NTD)

Triadische Praxis hat einen hohen Grad an Komplexität der Aufgaben und Objekte zur Voraussetzung. Sie verlangt auch von den Praktikern, den Subjekten der Praxis, komplexe Sinne und Fähigkeiten.
Solange lineare Kausalitäten, dualistische Logiken, gewohnheitsmäßige Routinen zum Ziel führen, besteht keine Notwendigkeit, triadische Programme einzusetzen, die immer einen erheblichen Aufwand Energien und an Datenmengen mit sich bringen.
Es gilt die Regel: Steuere die Praxis durch triadische Modelle - wenn denn einfachere Formen der Komplexitätsbewältigung nicht befriedigen!

Praxeologische Programme der Bewältigung quantitativer, qualitativer und kompositioneller Komplexität

Die mannigfaltigen Eigenschaften des Kosmos treten den Menschen/Praktiker in der Praxis als Komplexität entgegen, mit der sie umgehen müssen.

  • Jede Praxis hat es sowohl mit Quantitäten, als auch mit Qualitäten und Kompositionen zu tun. Die Komplexitätsbewältigung bezieht sich auf alle drei Dimensionen der abstrakten Komplexitätstriade - und entsprechend sind drei ganz unterschiedliche Programme einzusetzen:
    Programme der Bewältigung
    • quantitativer,
    • qualitativer und
    • kompositioneller

      Komplexität.
  • Nach triadischem Verständnis gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten mit quantitativer Komplexität umzugehen: Man kann sie steigern (Induktion), vermindern (Reduktion) und erhalten (Konservieren)! (InReKo-Triade)

Es gilt die Regel: Behandele die Praxis - und das Denken - als Umgang mit Komplexität und verstehe die quantitative Komplexitätsbewältigung als das emergente Produkt von Steigern (Induktion), Vermindern (Reduktion) und Erhalten (Konservieren) der Komplexität von Objekten! (Abstraktes Basisprogramm für den Umgang mit Komplexität - InReko-Triade)
→Komplexitätsbewältigung

Komplexitätsreduktion und -induktion sowie das Bemühen, die Komplexität - trotz des unabweisbaren Wandels der Dinge - konstant zu halten, sind gleichwertige und gleichgewichtige Prozesse der TriPrax und des NTD!


Dies richtet sich klarerweise gegen ein ausschließliches Verständnis von Komplexitätsbewältigung (und von Wahrnehmen, Denken und Handeln) als Komplexitätsreduktion, wie es für die meisten Systemtheorien tragend ist.

Bildname

  • Die qualitative Komplexität der Dinge wird bewältigt, indem deren Qualitäten/Eigenschaften transformiert werden. Dies kann - unter anderem - durch Bewertungen/Prämieren geschehen. Eigenschaften können auf- und abgewertet und anderen gleichgestellt, nebengeordnet werden. Es entstehen Rangordnungen.

Prämieren und Hierarchisieren als qualitative Komplexitätsbewältigung

Jede Praxis hat es mit begrenzten Ressourcen zutun und muß Prämieren.
Jede Praxis erfordert irgendwann regelmäßig selektive Entscheidungen, d.h. eine begrenzte Auswahl aus vielen, oftmals aus unbegrenzten Eigenschaften der Dinge/Möglichkeiten. Einzelne Qualitäten erhalten mehr Bedeutung für die Praxis als andere. Letztlich liegen die Gründe für den Selektionsdruck in den begrenzten Ressourcen von Menschen und sozialen Systemen, sowohl was die Aufmerksamkeit als auch was die Verarbeitungskapazitäten und Handlungsmöglichkeiten angeht.
Diese Auswahl wird immer durch die gesammelten Daten, auch durch Programme bzw. Modelle gesteuert, die sich in der - individuellen, sozialen oder gattungsgeschichtlichen - Erfahrung angesammelt haben.
Jede Selektion ist eine normative Entscheidung, die durch Werte gesteuert wird.


Die Praktiken sind immer selektiv. Der Praktiker muß in seinem Wahrnehmen fokussieren und Phänomene ausblenden. Im Denken konzentriert es sich auf die Qualitäten bestimmter Objekte - und damit auch auf bestimmte Objekte - und vernachlässigt andere. Ebenso wählt jedes Handeln aus. Das gleiche gilt auch für jede sozial-kommunikative Praxis, Themen/Agenden müssen gesetzt und Ziele ausgewählt werden. Alle ökologische Praxis ist so komplex, daß immer nur die Wechselwirkung zwischen wenigen Faktoren beobachtet und beeinflußt werden kann. Da die Praxis in der Zeit abläuft gibt es immer ein Vorher, Jetzt und Nachher. Was zuerst kommt, hat einen anderen Rang als das Spätere. Linearisieren ist in jeder Praxis notwendig zur Prozeßgestaltung. Und jede Linearisierung kann auch als Hierarchisieren aufgefaßt werden. Jeder Anfang hat Konsequenzen für Nachfolgendes. Jede Komplexitätsbewältigung schafft Rangordnungen.

Wir bezeichnen diese Auswahl als Prämierung. Auch bei jeder Anwendung einer bestimmten Triade haben wir es mit Prämierungen zu tun, weil sich die einzelnen Faktoren nicht gleichgewichtig zur Geltung bringen lassen.
Es gilt die Regel: Achte auf Prämierungen!
Das NTD interpretiert das Prinzip der begrenzten Ressourcen neu, indem es dieses in spezifischer Weise auf unser Wahrnehmen, Denken und Handeln anwendet und dazu auffordert, grundsätzlich jeweils nur drei Faktoren bzw. Dimensionen zu berücksichtigen. Das Niveau triadischer Praxis wird unterschritten, wenn wir bloß binär klassifizieren, nach Entweder-oder-Entscheidungen suchen. Es wird überschritten, wenn wir mehr als drei Faktoren und mehr als drei Ebenen zum Programm bzw. zum Ziel der Modellbildung wählen.
Es gilt die Regel: Reduziere die Komplexität der Praxis auf jeweils drei Faktoren und beachte ihre Komposition!
Jede Praxis wird so - auf einer ersten Ebene - zum Ausbalancieren von drei Faktoren. Soll mehr Komplexität bewältigt werden, könne auch die drei Basisfaktoren nochmals triadisch komponiert werden.
Es entstehen Triadentrias. → Triadentrias

Ein Ergebnis der Anwendung dieser Regel auf die Praxis ist ihre Differenzierung durch die Unterscheidung der drei Praktiken Wahrnehmen, Denken und Handeln.

Sie kann als erster Schritt einer Komplexitätsbewältigung angesehen werden. Die Dreiteilung erhöht die Komplexität, insofern nun drei verschiedene Prozesse zu steuern und drei Produkte zu kombinieren sind. Sie vermindert die Komplexität, indem nun nacheinander zunächst das eine Programm - der eine Prozeß - und danach die anderen Programme abgearbeitet werden können. Sie erhält die Komplexität, wenn die Praxis als Grundeinheit, als emergentes Objekt und die Wahrnehmung und das Denken und Handeln als Faktoren einer Triade definiert und gestaltet werden.

Selektionskriterien für triadische Beschreibungen der Praxis.
Wenn denn Komplexitätsreduktion und Prämierungen unausweichlich sind, kommt den Selektions- und Bewertungskriterien besondere Bedeutung zu. Im NTD und TriPrax sind dies triadische Axiome, Modelle und Programme. Jede Selektion ist eine normative Entscheidung, die durch Werte gesteuert wird. Das NTD behandelt die Axiome als Werte, die die Modellbildung und die Programme steuern. Es gilt die Rangfolge der Abstraktion der Informationen: Daten, Programme/Modelle, Werte/Axiome.

Information

  • Die kompositionelle Komplexität wird bewältigt, indem die Komponenten (Element, Ebenen, Beziehungen) transformiert werden. Für die Transformation kompositioneller Komplexität gilt das Generalprogramm: Hinzufügen, Wegnehmen (Austauschen) und Vertauschen von Elementen, Beziehungen und Ebenen.
    Für die TriPrax und für das NTD ist charakteristisch, daß es nicht nur dem binäre Denken und deren Modelle jeweils ein drittes Element hinzufügt sondern auch grundsätzlich mit mindestens drei Ebenen arbeitet. Dreiebenenmodelle steigern natürlich die Komplexität einfacherer Modelle. Vor allem die Klassifikationsschemata (z.B. die 3 Klassen der Praxis) dienen insoweit der Komoplexitätsbewältigung durch Komplexitätsinduktion.
  • Wenn es gut geht, werden alle drei Programme und die Subprogramme durchlaufen, aber je nach den Funktionen der Praxis, wird man ein Programm prämieren.
    Komplexitätsbewältigung kann nicht ein für allemal abgeschlossen werden; jeder Umgang mit Komplexität erzeugt wieder Komplexität. Jede Praxis kann die eigene Komplexität und die Umweltkomplexität nur in Aufgaben umarbeiten, die durch die Praktiken mit Programmen zu bewältigen sind. Mißlingt diese Umarbeitung, scheitert die Praxis.
    Komplexitätsbewältigung in individueller epistemischer Praxis
    Erweitertes Schema der Komplexitätsbewältigung in individueller epistemischer Praxis

Komplexitätsbewältigung als Verwandeln und Transformieren

Desgleichen lassen sich alle Generalprobleme der Praxis: Praktizieren, Interagieren und Transformieren als Komplexitätsbewältigung verstehen.

  • Komplexitätsbewältigung ist - in der ontologisch-kosmologischen Dimension - Transformation der Komplexität der Komponenten des Kosmos.
  • Komplexitätsbewältigung geschieht - in der strukturell-systemischen Dimension - durch Komponieren, verändern von Kompositionen.
  • In der anthropologischen Dimension erfolgt die Komplexitätsbewältigung durch den sinnvollen Einsatz der Praktiken.

Die Komplexitätsbewältigung ist das gemeinsamen Dritten aller Aktivitäten und Praktiken. Jede Zurichtung der Praktiken kann unter dem Gesichtspunkt der Komplexitätsbewältigung erfolgen.

  • Jede Komplexitätsbewältigung ist ein Verwandeln. Wenn nicht die Zeit sondern die Dinge und Räume des Kosmos als Objekte in der Praxis im Vordergrund stehen, sprechen TriPrax und NTD meist von Transformation. Jedes Verwandeln ist ein Transformieren und umgekehrt. Also gelten die Triade des Wandels (Revolutionierend, reformierend und reproduzierend) und die Triade des Verwandelns (Umwandeln, Abwandeln, Stabilisieren) auch für die Transformation und das Transformieren. Jedes Bewältigen ist ein Transformieren und Verwandeln. Ob TriPrax und NTD von Bewältigen, Transformieren oder Verwandeln sprechen, macht nur einen perspektivischen Unterschied.

Objekte und Subjekte der Komplexitätsbewältigung

• Die abstrakten Triaden der dimensionalen Komplexitätsbewältigung können und müssen konkretisiert werden, wenn sie in der Praxis auf bestimmte Objekte angewendet werden.

Die Komplexitätsbewältigung differenziert sich weiter nach seinen Objekten: Gemäß der Parameter des Kosmos gibt eine Komplexität der Zeit, der Räume und der Dinge.

  • Die Komplexität der Zeit erscheint als permanenter Wandel. Sie wird bewältigt, indem der Wandel auf die Zwecke der Praxis zugerichtet, verwandelt wird.
  • Die Komplexität der Räume erscheint in der Praxis als Komposition von Elementen, Beziehungen und Ebenen. Sie wird bewältigt, indem die Komposition auf die Zwecke der Praxis hin zugerichtet, transformiert wird.
  • Die Komplexität der Dinge erscheint in der Praxis als informationelle, energetische und materielle Komplexität. Sie wird bewältigt, indem die materiellen, informativen und energetischen Qualitäten auf die Zwecke der Praxis hin zugerichtet, transformiert werden.

• Die drei Dimensionen der Elemente des Kosmos bzw. der Objekte der Praxis stehen, wie alle Faktoren einer Trias, in Wechselwirkung. In jeder Praxis tritt eine Dimension gemäß der Zwecke der Praxis in den Vordergrund.

• Neben den Objekten sind auch die Subjekte der Komplexitätsbewältigung zu berücksichtigen. Die Komplexitätsbewältigung findet in der Praxis durch die Praxis statt. Insofern ist die Praxis das Subjekt der Komplexitätsbewältigung, aber diese ist triadisch, als emergentes Produkt dreier Faktoren aufzufassen, des Kosmos, der Menschen als Praktiker und der Praxis als Interaktionssystem. Der Triadiker geht davon aus, daß auch die Subjekte grundsätzlich in dreifacher Gestalt auftreten.→ Trinität
Die Betonung scheint angebracht, weil binäre Denker entweder auf Menschen - sei es als 'Beobachter' oder als 'Handelnde' usf. - oder auf - meist 'soziale' - Systeme setzen. Der Triadiker kann mit Entweder-Oder-Fragen wenig anfangen.

• Typologie der Subjekte
Die Subjekte können nach den Klassen der Praxis unterschieden werden. Entsprechend gibt es

  • soziale Komplexitätsbewältigung in der sozialen Praxis,
  • kulturelle Komplexitätsbewältigung in der kulturellen Praxis und
  • die Komplexitätsbewältigung des Individuums/der Person in der individuellen Praxis.

In der sozialen Praxis sind mindestens zwei Subjekte und in der kulturellen Praxis drei Faktoren gleichberechtigt in Interaktion. Ein singuläres Subjekt gibt es nur in der Klasse der individuellen Praxis.
• Da die Unterscheidung der Klassen der Praxis aufgrund der Emergenzstufen des Menschen/der Praktiker erfolgt ist auch mit entsprechenden Unterschieden der Emergenz der Menschen (Individuum, soziale und kulturelles Wesen) zu rechnen.
• Der unterschiedlichen Emergenz der Menschen entspricht die unterschiedliche Emergenz der Praktiken der Praktiker. Die Komplexitätsbewältigung findet also durch

  • Wahrnehmen, Denken und Handeln,
  • Kommunikation, Interaktion und Kooperation sowie
  • Produktion, Distribution, Konsumption
    statt.

Die Praxis als Komplexitätsbewältigung durch Praktiken (WaDeHa) in der individuellen Praxis

Vom Standpunkt des Menschen als Subjekt von Praxen aus gesehen, dienen alle individuellen, sozialen und kulturellen Praktiken und Aktivitäten der Komplexitätsbewältigung. Zu bewältigen sind die Komplexitäten aller Elemente der Welt - auch der eigenen Praxis - und von deren Komponenten - also auch der Praktiker.

Die TrPrax reduziert die Komplexitätsbewältigung nicht auf die Bewältigung informativer Komplexität durch welche Formen der Informationsverarbeitung auch immer. Auch → Materie und → Energien sind komplex, haben komplexe Qualitäten und Kompositionen. und werden in den individuellen sozialen und kulturellen Praktiken gesteigert, reduziert und erhalten.

Entsprechend reduziert die Praxeologie die Komplexitätsbewältigung nicht auf das Denken und dessen Äquivalente in der sozialen und kulturellen Praxis, die Informationsverarbeitung.
→ Denken als Komplexitätsbewältigung
Auch in der Informationsgewinnung und im Handeln muß mit der Komplexität der Dinge umgegangen werden. Aber meist findet längerfristig eine Konzentration auf eine Praktik statt. Je nach der prämierten Praktik gibt es auch Prämierungen der Komplexitätsbewältigung. Die Programme der anderen Komplexitätsbewältigungsprogramme laufen weiter, führen aber nicht.

Als Alexander auf seinem Feldzug gegen die Perser in das Städtchen Gordion kam, wurde er zu einem Karren geführt, dessen Geschirr ein Knoten zusammenhielt, der von niemanden bislang gelöst werden konnte. Wem es gelingen sollte, diese komplexe Aufgabe zu lösen, der sollte, der Rede nach, ein Reich erobern. Alexander wird sich den Knoten angeschaut haben, überlegt, wie er ihn aufdröseln kann. Seine Vorgänger werden nach den Vorstellungen, wie die Schnüre zusammenhängen, zu probeweisen Handeln übergegangen sein. Ihre Praxis wird durch mehr oder weniger ausgebildete Modelle über den Knoten, also durch die Praktik Denken i.w.S. gelenkt. Alexander andererseits prämiert das Handeln, zieht sein Schwert und zerteilt den Knoten. Das Primat der Tat, Komplexitätsbewältigung durch Handeln kennzeichnet seine Persönlichkeit durchgängig, mit all den Nachteilen, die ihn immer wieder zu einer Praxis führen, die seine Zeitgenossen und Chronisten, impulsiv, jähzornig, unberechenbar o.ä. nennen. Natürlich hat Alexander den Knoten auch wahrgenommen und daraus Schlüsse gezogen, aber damit hat er sich nicht lange aufgehalten, das Leitprogramm ist das Handeln.

Alle Praktiken und andere Aktivitäten der Praktiker lassen sich als Komplexitätsbewältigung verstehen und gestalten. Es gilt dann die Komplexitätsbewältigungstriade: Steigern, Halten, Vermindern.

TriPrax und NTD teilen die in der Literatur häufige Reduktion der Komplexitätsbewältigung auf den Faktor 'Vermindern' nicht! Auch Komplexitätsbewältigung will triadisch gefaßt werden.

Jede Komplexitätsbewältigung berührt auch die Komponenten der Praxis und ihre Komposition. Jede Komplexitätsreduktion wird die Architektur, die Prozesse und Objekte der Praxis begrenzen, sie schließen und stabilisieren. Jede Steigerung der Komplexität eröffnet neue Horizonte, jeder Programmwechsel der Praxis erhöht die Alternativen.
Komplexitätsreduktion bedeutet immer Grenzziehung. Jede Grenzziehung in der Praxis führt - mehr oder weniger erfolgreich - zu Systembildungen. Systeme sind → Dinge mit endlicher Komposition.

Die Praktiken der Menschen sind immer - mehr oder weniger und meist ungleichmäßig - in Aktion. Wahrnehmen, Denken und Handeln können nicht ausgeschaltet werden, aber sie lassen sich Fokussieren und auf Aufgaben konzentrieren. Diese Auswahl und Prämierung einzelner Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsaktivitäten ist eine beständige Aufgabe für die Praktiker in der Praxis. Sie erzeugt eine eigene (dritte) Dynamik in der Praxis. Immer gibt es mehrere Aufgaben und Aktivitätsarten. Deren Koordination ist ein weiteres permanentes Problem.

In der Praxis bewältigen die komplexen Subjekte die mannigfaltigen Phänomene der Welt auf mannigfaltige Weise. Jede Praxis ist Komplexitätsbewältigung. Sie erfolgt in der individuellen menschlichen Praxis durch die Aktivierung der drei Praktiken. In den anderen Klassen der Praxis werden funktionale Äquivalente aktiviert.

Was immer Wahrnehmen, Denken und Handeln sonst noch für Funkionen erfüllen mögen, immer dienen sie den Menschen dazu, die Komplexität der Welt zu bewältigen. Dies geht nur durch die unterschiedlichen Emergenzformen der Praktiken in und durch die Praxis. Sobald die Umwelt zum Ziel der Praktiken wird, erscheint sie den Praktikern als komplexes Objekt. Jede Praxis muß mit der Komplexität der Dinge, Prozesse und Räume irgendwie umgehen.

Komplexitätsbewältigung in der sozialen Praxis

Die vermutlich mächtigste Form der sozialen Komplexitätsreduktion in den neuzeitlichen Demokratien ist die Unterstellung der Gleichheit der Bürger der Gesellschaften und der Rollen in den sozialen Organisationen.
Gleichheit dient als sowohl in den interaktiven als auch in den kooperativen und vor allem in den kommunikativen sozialen Praktiken als Programm der Komplexitätsreduktion und als Konstruktionsprinzip der sozialen Welt, also auch der Klasse der sozialen Praxis. Auch die Soziologie als Wissenschaft von der sozialen Welt hängt von der Annahme homogener, eben 'sozialer' Objekte ab. Aber das sind Normen, ein Sollen. In der Praxis gilt Goethes Satz:
Der Mensch ist ungleich und ungleich sind die Stunden.

Das Generalprogramm der Transformation

Als Teil der Welt befindet sich jede Praxis im Wandel und hat eine dynamische Dimension. Sie existiert wie alle Teile in der Zeit und verbraucht Zeit. Jede Praxis hat eine Geschichte.
Das ist ein Grundaxiom der TriPrax und des NTD, aus dem folgt, daß die Gestaltung des Wandels eine beständige Aufgabe der Praktiker ist.
Der Wandel der Dinge, Räume und der Prozesse einschließlich der Wandelprozesse findet im Kosmos auch ohne die Menschen permanent statt. Gleichzeitig verwandelt der Mensch durch seine Praktiken sich selbst, den Kosmos und die Vorstellungswelt. Das ist unvermeidlich, die Wirkungen sind kaum absehbar. Ob geplant oder nicht, jede Praxis verwandelt den Wandel.
Für die TriPrax und das NTD ist jenes Verwandeln wichtig, das durch die menschliche Praxis und in ihr geschieht.

Die Beziehung zur Welt und damit auch zum Wandel in der Welt stellen die Menschen in ihren unterschiedlichen Emergenzform in der Praxis her. In jeder Praxis sind die Menschen mit dem Wandel der Umwelt, ihrer Praxis und von sich selbst konfrontiert. Dies ist ein selbstverständlicher Prozeß, der normalerweise nicht besonders thematisiert wird und unbemerkt von den Menschen abläuft. Verwandlungen sind einfach da, stören aber die Aufgabenlösung nicht. Ohnehin übersteigt die Vielzahl der Verwandlungen und ihrer Arten die Aufmerksamkeitskapazitäten der Praktiker.
Daneben kann das Verwandeln von Dingen, Räumen und Prozessen aber auch das Ziel menschlicher Praxis sein. Sei es, weil die Verwandlungen den Erfolg einer Praxis gefährden, oder weil man sich explizit die Aufgabe setzt, bestimmte Wandelprozesse zu verwandeln, beispielsweise, um sie zu optimieren.
Wenn der Wandel und die Verwandlungen, die die Menschen in ihrer Praxis vornehmen, zum Problem werden, hat der Praktiker Anlaß, sich mit ihnen zu beschäftigen.

Das zeigt sich aktuell in der Thematisierung des Klimawandels. Unvermeidlich wandelt sich das ‚Klima‘ als Konglomerat von Dingen des Kosmos, wie sich auch die Erdnüsse, Haustiere, Kohlezechen oder das Radium wandeln. Der Wandelprozeß des Klimas ist ebensowenig zu stoppen, wie der Wandelprozeß von Menschen. Ein in der Geschichte schon immer ablaufender Wandel wird jedoch nunmehr zum Problem einiger sozialer Praxen. Der Wandel soll verwandelt werden. Spätestens dann stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der, ja welcher? Praxis zu den Wandelprozessen. Welche Wandelprozesse sind Verwandlungen welcher Praxis – und welche viele weiteren nicht? Der Einfluß der drei Klassen menschlicher Praxis auf die Wandelprozesse des Objekts Klima ist unterschiedlich und in keinem Fall total, weil es auch zu anderen Faktoren/Komponenten des Kosmos in Beziehung steht.
Da Klima ein Modell von kosmischen Wandlungsprozessen sein soll, verbietet sich eigentlich die Rede vom 'Klimawandel' sowieso. Normalerweise möchte der Wissenschaftler seine Modelle solange konstant halten, bis sie sich nicht mehr bewähren. Natürlich gibt es einen Wandel von Modellen, vor allem wenn sie unzureichend sind und scheitern. Aber das ist gewiß hier nicht gemeint. Wenn statt des Modells das Phänomen, am ehesten wohl das Wetter, eingesetzt wird, bringt das auch keine Klärung. Den Wetterwandel zu verwandeln ist ein zu ehrgeiziges Projekt. Am Ende bleibt dann nur die Reduktion von Treibhausgasen.

Das Bemerken des Wandels in der individuellen Praxis

Die Menschen bemerken den Wandel als Verwandlungen von Objekten in ihrer Praxis. Verwandlungen im Kosmos und der Vorstellungswelt werden von den Menschen als Veränderung oder Nicht-Veränderung von Zuständen von

  • Dinge,
  • Orten im Raum und
  • Abläufen in der Zeit
    bemerkt.

    Man kann Wandelprozesse - ebenso wie die → Zeit - letztlich nicht wahrnehmen sondern nur bemerken. Bemerken setzt den Einsatz aller drei Praktiken, sowohl der Wahrnehmung, als auch dem Denken und dem Handeln voraus.
    Das triadische Wandelmodell kommt ohne eine Modellierung von 'Veränderung/Verändern' letztlich nicht aus. Aber es versteht den Wandel und die Wandelprozesse nicht als Verändern und arbeitet auch nicht mit Change-Modellen. Veränderung ist nur eine Komponente des Wandels. Das Konzept von Veränderung wird wichtig, sobald es um die epistemische menschliche Praxis geht. Es liegt also auf einer konkreteren Abstraktionsstufe des Theoriegebäudes. Bemerken von Veränderungen setzt natürlich Subjekte, die wahrnehmen können, voraus.

Die Menschen nehmen in ihrer Praxis den Zustand von Dingen, Räumen und Abläufen wahr. Zwischen den Wahrnehmungen verstreicht Zeit. Die Wahrnehmung eines Zustandes wird im Gedächtnis gespeichert und mit Wahrnehmung anderer Zustände verglichen. Dabei können Veränderungen oder deren Ausbleiben festgestellt werden.
Verwandlungen erscheinen in der Praxis als Veränderungen von Zuständen (pl.)oder als deren Ausbleiben.

Denken des Wandels

Das Bemerken von Verwandlungen als mehr oder weniger starke Veränderung oder als Stagnation erfordert sowohl den Einsatz der Sinne, des Gedächtnisses als auch die kognitive Operation Vergleichen, als einem basalen Programm des Denkens. Die Veränderungen können als Prozesse verstanden, modelliert, werden.
Die Veränderungen und Veränderungsprozesse erhalten Eigenschaften/Bemerkungen: langsam, schnell, beschleunigt, rückwärts, vorwärts, auf der Stelle usf. Gemäß der Ziele der Praxis sind Bewertungen dieser Eigenschaften unausweichlich: Für bestimmte Ziele geht es zu schnell oder zu langsam, für andere muß überhaupt die Richtung geändert werden usf..
Immer haben wir es mit einer Vielzahl, einem Konglomerat von Prozessen zu tun, deren Beziehungen für eine Praxis relevant sind oder nicht. Im Denken erscheint der Wandel als ein mehr oder weniger geordnetes Konglomerat von Veränderungsprozessen von Dingen und Räumen.
Die Prozesse laufen nebeneinander her, beeinflussen sich, entweder verstärkend und beschleunigend oder konkurrierend bis hin zu Blockaden.
Es gilt die Interaktionstypentriade. Jede Praxis nimmt nur einen Teil dieser Prozesse wahr und sie greift nur in einzelne von ihnen, verwandelnd, ein.
Ob ein Wandel als Zerstörung oder als Schöpfung von Neuem bemerkt wird, hängt von der Praxis und den Zielen der Subjekte ab. Hinter der Einstufung stehen Bewertungen. Unter Anlegung der Wandeltriade ist es im Prinzip möglich, in jeder Veränderung sowohl Zerstörung auch die Emergenz von Neuem zu bemerken, je nachdem welche Werte die Praxis steuern.

Handeln und Verwandeln

Prozesse lassen sich in der Praxis steuern und regeln. Damit kann die Mannigfaltigkeit des Verwandelns zu zwar komplexen, aber mehr oder weniger gut beherrschbaren Abläufen von Transformationen gestaltet werden.
Nur bestimmte Arten von Prozessen lassen sich steuern und regeln, sie unterliegen → Programmen, die im Prinzip erkannt und verändert werden können. Nur die Verwandlung von (wahrgenommenen) Zustandsveränderung in (abstrakte) Prozeßvorstellungen ermöglicht den Menschen letztlich die Beeinflussung des Wandels - und damit der Dynamik der Welt. Diese Beeinflussung nennt man Handeln.
Die Praktiker versuchen mehr oder weniger bewußt, einzelne Abläufe und das Beziehungsgeflecht durch ihr Handeln zu gestalten. Standardmäßig werden dabei ein oder mehrere Ziele verfolgt. Die Ziele sollen durch Prozesse des Wahrnehmens, Denkens und Handelns erreicht werden - und sie geben diesen eine Richtung und einen Abschlußpunkt vor. Einzelne Prozesse werden linearisiert. Dies gibt dem Verwandeln eine Richtung.

Die Individuen nehmen den Wandel als Verwandlungen und diese als Veränderung oder Nicht-Veränderung von Zuständen wahr, denken ihn als Prozeß oder – besser – als Prozeßgefüge und gestalten diese durch ihre Verwandlungsaktivitäten nach den Zwecken ihrer Praxis.
Wahrnehmen, gedankliche Konstruktionen und Handeln wirken bei den Verwandlungen der Welt zusammen. Alle Praktiken sind in unterschiedlicher Weise beteiligt.

Transformieren der Komplexität der Dinge

Es ist sinnvoll, den unvermeidlichen Wandel der Zeiten, Räume und Dinge im Kosmos und in der Vorstellungswelt von dem Transformieren von Dingen zu unterscheiden, die das mehr oder weniger explizite Ziel einer Praxis sind. Wenn die Beziehung zwischen einem Ausgangs- und einem Endprodukt in der Praxis im Vordergrund steht, sprechen wir von Transformieren.
In der Informatik ist die Transformation nach DIN ein Faktor neben Transport und Speicherung der Informationsverarbeitung. Der Triadiker kann auch mit dieser Triade arbeiten.

Es können Praxen eingerichtet werden, deren Ziel und Funktion das Verwandeln ausgewählter Prozesse, Dinge und/oder Räume ist. Es entstehen Transformationspraxen. Hier werden dann die Praxis und die Praktiker zum Subjekt, zum Transformator.

Grundsätzlich hat der Mensch und Praktiker drei Möglichkeiten mit Wandelprozessen umzugehen: Er kann versuchen, sie zu verlangsamen und Qualitäten, Quantitäten und Architekturen zu konservieren.

Die im Alltag übliche Rede von der 'Transformation der Dinge' präzisiert das NTD. Im Verständnis des NTD gibt es nur eine Transformation der Komplexität der Komponenten der Welt. Damit gelten die Komplexitätstriade und die Annahmen über die Dimensionen des Kosmos: Transformiert werden die Quantitäten, Qualitäten und die Komposition der Dinge, Räume und der Prozesse in der Vorstellungswelt und im Kosmos.


Entsprechend gibt es unterschiedliche Programme des Transformierens. Die Programme hängen von den Modellen über die Objekte ab - und umgekehrt! Der Triadiker kann die Mengen, die Eigenschaften und die Beziehungen zwischen den Elementen und Ebenen (Komposition) der Dinge in Zeit und Räum verändern. Dies schließt ein, daß er auch die Prozesses des Transformierens - den Wandel - verändern kann, diese beschleunigen oder verlangsamen, die Abläufe verkürzen, Phasen vertauschen usf..
Jede Transformation trifft schon auf verwandelte oder transformierte Dinge, Räume und Bewegungsenergie. Die Welt ist immer schon da, aber ihre Komplexität kann gestaltet werden.
Die ewigen und mannigfaltigen Verwandlungen der Dinge können zu Transformationsprozessen transformiert, aber auch still gestellt werden. Sie erhalten für die Praktiker dann relativ stabilen, selektiven Eigenschaften, Grenzen und damit auch Umweltbeziehungen.
Dieser, philosophisch als Ontologisieren, bezeichnet Vorgang ist unvermeidlich, um die Dynamik der Mannigfaltigkeit soweit zu reduzieren, daß Dinge überhaupt erkennbar, Zustände feststellbar und Prozesse regulierbar werden.

Der Praktiker kann die Prozesse reformieren, indem er einzelne Merkmale und vor allem Quantitäten verändert und einzelne Komponenten austauscht. Die radikale Variante ist, daß er die Transformationsprozesse (zer)stört und alternative, neue implementiert. Das Verwandeln der Dinge ist nicht einseitig auf quantitative Veränderungen festgelegt. Es umschließt im Verständnis des NTD auch Zerstören und Innovation.
Es gilt die Triade des Verwandelns: Umwandeln/Revolutionieren, Abwandeln/Reformieren und Wandel Erhalten/Reproduzieren.
Für die TriPrax und das NTD erscheint das Verwandeln von Objekten durch Subjekte als Aktivität in der Praxis.
Es findet also eine Umformulierung der absoluten Wandelprozeßtriade statt. Die abstrakte Triade des Verwandelns verstärkt den dynamischen Charakter des Wandels. Die Faktoren werden zu mehr oder minder stark linearisierten und auf mehr oder weniger zahlreiche Ziele gerichtete Aktivitäten.
Da das Verwandeln das Ergebnis der Interaktion der Faktoren ist, wirken die drei Aktivitätstypen zu jeden Zeitpunkt zusammen. Es sind Parallelprozesse.

Die Triade des Verwandelns ist ein Paradebeispiel für artverschiedene Prozesse und die mannigfaltigen Möglichkeiten ihres Zusammenwirkens. Sie zwingt zur Berücksichtigung von Parallelprozessen.

Entdecken, Bewahren von Vorhandenem und Steigern oder Vermindern des Vorfindlichen laufen gleichzeitig ab - und die drei Prozesse beeinflussen einander und führen erst gemeinsam zu dem Ergebnis, welches als Verwandeln bezeichnet wird.
Insofern beschreibt die Verwandeltriade nicht nur einen linearen Transformationsprozeß sondern Parallelprozesse. Jedes Verwandeln ist - so die Definition - das emergente Produkt der Interaktion von vielen Prozessen, die drei Prozeßtypen zugeordnet werden können.
Um den Prozeßcharakter und die Gleichzeitigkeit der Prozeßtypen des Wandels zu betonen, kann man die Triade des Verwandelns durch das Knotenmodell darstellen.

In der konkreten Wirklichkeit verlaufen die drei Verwandlungsaktivitäten niemals gleichmäßig, mal überwiegt die Klasse der bewahrenden Aktivitäten, mal jene des Umstürzens oder des Reformierens. Es gibt für den Triadiker weder vollständiges Zerstören oder Erneuern noch vollständigen Stillstand. Immer wird ein Typ prämiert, aber niemals kommt es zu vollständigen Verschwinden der anderen.
Zu jedem konkreten Zeitpunkt sind die drei Faktoren in unterschiedlichem Grade am Wandel des Objektes beteiligt. Dies kann das NTD durch die unterschiedliche Ausdehnung der Schlaufen in einem Schlaufenmodell abbilden.

Der unendliche Wandel des Kosmos und die Endlichkeit der Praxis

Die Menschen sind endlich und jede einzelne Praxis ist es auch. Die Praxis der einzelnen Menschen, der sozialen Gemeinschaften und der Gattung ist zwar permanent, aber sie ist endlich.
Es gibt also einen grundsätzlichen Unterschied - in der quantitativen Komplexitätsdimension - zwischen dem Wandel der Welt und den Verwandlungen von Bestandteilen des Kosmos und der Vorstellungswelt, die die Menschen durch ihre Praxis erreichen.
NTD und TriPrax differenzieren zwischen endlichen Verwandlungsprozessen in einer konkreten Praxis und dem unendlichen Wandel in der Welt.

Diese Unterscheidung wird nicht immer akzeptiert. Es gibt unübersehbar immer wieder Utopien, die dem permanenten Wandel der Welt zum Leitbild der menschlichen Praxis machen wollen. ‚Ist permanente Revolution institutionalisierbar?‘, hat Helmut W. Fr. Schelsky in einem brillanten Aufsatz gefragt - und mit ‚nein‘ beantwortet. Das Schicksal eines Umsetzungsversuchs konnte man an Mao Tse-tungs ‚Kulturrevolution‘ beobachten. Offenbar ist ein permanenter Wandel einer Praxis für Menschen und Gemeinschaften nicht gut dauerhaft zu gestalten. Aber diese Utopie besitzt in der Managementliteratur als 'kontinuierlicher Veränderungsprozeß' oder in den VUKA- Welten gegenwärtig (wieder) viele Anhänger.

axiomatik, id105, letzte Änderung: 2023-08-01 10:18:55

© 2023 Prof. Dr. phil. habil. Michael Giesecke