Axiomatik



Die Emergenz der Menschen als Praktiker und ihre Praktiken: Anthropologische Praxeologie und Praktikologie

Die Komplexität der Praktiker in der Anthropologischen Praxeologie

  • Die Menschen erscheinen in der Praxis als Praktiker. TriPrax und NTD verstehen die Praktiker triadisch, als emergentes Produkt dreier Faktoren, nämlich der Praktiken, der Praxissysteme und als lebendigen Teil des Kosmos und dessen Verwandler.
    Praktiker sind dreifaltig: Akteure, Interaktanten und Transformatoren.

Basistriade der Praktiker

  • Als Praktiker sind die Menschen das Produkt ihrer bevorzugten Aktivitäten, vor allem ihrer Profession und ihrer Interaktionserfahrungen in den verschiedenen Positionen/Funktionen in den relevanten Praxissystemen. Drittens unterliege sie nicht nur dem Wandel von Kosmos und Vorstellungswelt sondern sie bilden ihre Person auch aus, indem sie diese Sphären der Welt selbst verwandeln.
  • Entsprechend der Emergenzstufen der menschlichen Lebewesen sind drei Klassen der Praktiker zu unterscheiden. Er emergiert entweder primär als einzigartiges Individuum, als soziales Wesen oder als Geschöpf von kulturellen Ökosystemen.
    Er ist immer in diesem Sinne dreifaltig, zugleich einzigartiges freies Individuum, soziales Wesen und kulturelles Wesen, aber in jeder Praxis tritt in jedem Moment ein Zustand in den Vordergrund und bestimmt damit auch, welche Programme vorherrschen und wie die Räume und die anderen Dinge der Welt wahrgenommen, gedacht und gestaltet werden.

Hauptklassen der Emergenz der Praktiker

Praktiker sind menschliche Lebewesen, welche auf verschiedenen Seinsstufen emergieren.
Die Menschen als Subjekte und Objekte der Praxis und können in vielen Formen emergieren, mindestens aber als einzigartige Individuum, als soziale Wesen und als kulturelle Wesen. (Triade der Emergenz der Menschen/Praktiker) Als Individuen sind sie ungleich, als soziale Wesen müssen sie mannigfaltige Gleichheiten entwickeln und mindestens unterstellen. Das nennt man Sozialisation. Als kulturelle Gattungswesen gibt es Gleichheiten mit anderen Lebewesen der gleichen Gattung (→ Menschheit) und Differenzen zu anderen Komponenten der Welt. Akkulturierte Menschen sind das Ergebnis einer Koevolution von Mensch, Technik und nichtmenschlicher Natur.
Die Emergenzniveaus haben Auswirkungen auf die Klassen möglicher Praxis.
→ Mensch Emergenzebenen
Das NTD nimmt die Emergenzstufen des Menschen als komplexe Lebewesen zum Kriterium der Einteilung der drei Klassen der Praxis und damit weitergehend auch der drei Klassen der Praktiken. Es macht insoweit nur einen perspektivischen Unterschied, ob man von Praktiker als Produkt der Klassen der Praxis oder als dreifaltiges menschliches Wesen spricht.

Die Emergenz der Praktiker in der individuellen Praxis kann in einer Triadentrias zusammengefaßt werden.

Dimensionen der Praktiker in individueller Praxis

Die Emergenz der Praktiker als Individuen steht auf dieser webseite im Vordergrund. Immer, wenn keine andere Spezifizierung angefügt wird, ist der individueller Praktiker in der individuellen Praxis gemeint.

Praktiken als Cluster von Aktivitäten der Praktiker

Praktiken stellen die Beziehung der Menschen - als Praktiker - zu den Objekten der Praxis durch → Aktivitäten her. Die Praktiken entstehen aus der Interaktion von Aktivitäten.
Sie sind Abstraktionen aus der unendlichen Zahl von Aktivitäten der Praktiker mit dem Ziel solche Gruppen zu bilden, die in jeder Praxis anwendbar sind. Während es viele fakultative Aktivitäten gibt, sind die Praktiken obligatorische Aktivitätscluster der Praxis.

Das NTD gibt sich nicht mit einer notwendig offenen Liste von Aktivitäten, die in den vielen Fällen der Praxis auftauchen, zufrieden. Es trifft vielmehr eine Unterscheidung zwischen solchen Aktivitäten, die in jeder Praxis auftauchen und solchen, die nur in einzelne Praxisarten und konkreten Fällen auftauchen.

In allen Klassen der Praxis dominieren bestimmte Klassen von Aktivitäten. Sie geben den Praxisklassen ihre Spezifik.
In diesem Sinne konstitutive Aktivitäten ordnet das NTD zu Praktiken.
Es ist offensichtlich, daß es mannigfaltige Möglichkeit der Clusterung, also der Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den Aktivitäten gibt. Das NTD geht von → permanenten Problemen der Praxis aus. Das sind solche, die in allen Klassen der Praxis unabweisbar und permanent auftauchen. Einzelne dieser Probleme werden entweder in einer konkreten Praxis oder in Arten derselben in → Aufgaben umgearbeitet, die im Laufe der Praxis zu lösen sind, um die Zwecke der Praxis zu erreichen. Zur Lösung der Aufgaben werden mehrere Aktivitäten eingesetzt.
Jede einzelne Praktik besteht aus bzw. realisiert sich in vielen Aktivitäten. Viele Aktivitäten - aber nicht alle - lassen sich Praktiken zuordnen.

Geht man von den Aktivitäten aus, so führt der induktive Prozeß zu den Praktiken. Die Praktiken erscheinen als Abstraktionen aus Clustern von Aktivitäten. Geht man von den Praktiken aus, so führt der deduktive Prozeß zu einem Auswahlbereich, einer Menge von Aktivitäten mit gemeinsamen Merkmalen. Die Aktivitäten konkretisieren die Praktiken.
Aktivitäten sind - triadisch-modelltheoretisch formuliert - Merkmale von Clustern zu Praktiken.

Hauptklassen der Emergenz der Praktiken: Praktikologie

Entsprechend der drei Klasse der Praxis sind auch drei Klassen (= Emergenzformen) der Praktiken zu unterscheiden:

  • Aktivitäten, die für das Individuum in der Klasse der individuellen Praxis obligatorisch sind, heißen individuelle Praktiken.
    Das ist keine befriedigende Bezeichnung; gemeint ist Praktik des Praktikers, der als Individuum/Person emergiert.
  • Aktivitäten, die für die sozialen Subjekte in der Klasse der sozialen Praxis obligatorisch sind, heißen soziale Praktiken.
  • Aktivitäten, die für die Menschen in kultureller Praxis obligatorisch sind heißen kulturelle Praktiken.

Das Praktizieren steht in den Klassen der Praxis vor unterschiedlichen Arten von Problemen:

  • Wahrnehmen, Denken und Handeln in der individuellen Praxis
  • Kommunikation, Kooperation und Interaktion in der sozialen Praxis
    und
  • Produktion, Distribution und Konsumption in der kulturellen Praxis.
    Das NTD schlägt die folgende Triadentrias der drei Klassen der Klassen der Praxis vor.

Bildname

Die drei Praktiken (WaDeHa) in der individuellen Praxis

Die Voraussetzung für eine Praxis im Sinne des NTD sind Menschen mit einer komplexen organischen Ausstattung.Individuen sind im triadischen Verständnis multisensuell, multiprozessoral und multieffektiv, haben also mannigfaltige Sinne, Verarbeitungskapazitäten und Verhaltensmöglichkeiten.
In jeder Praxis vollziehen die Praktiker Aktivitäten. Die Praxis ist das Produkt von Aktivitäten der Praktiker. Während dieses im Alltag ziemlich ausschließlich als Handeln verstanden wird, reduziert das NTD die Aktivitäten der Praktiker nicht auf das Handeln.
Praktiken

Die Menschen haben als Akteure einer Praxis vielmehr drei Möglichkeiten, sich mit ihrer Umwelt - welche auch immer - in ein Verhältnis zu setzen: Sie können sie mit ihren vielen Sinnen wahrnehmen; über sie Nachdenken oder die gewonnenen Daten in anderer Weise kognitiv, emotional usf. verarbeiten und sie können sie behandeln, auf sie einwirken und sie verändern. Das sind die natürliche Organe des Menschen, biophysiologische Vorgaben, die ihm Möglichkeiten, die Umweltkomplexität zu bewältigen, eröffnen und zugleich beschränken.
Es gilt das Grundaxiom:Verstehe und Gestalte die Praxis triadisch, als Interaktion der Praktiken Wahrnehmen, Denken und Handeln! → WaDeHa-Triade

Der Abstraktionsstufe angemessen, sind die drei Praktiken weit aufzufassen. Denken meint alle Formen affektiver, rationaler u.a. Formen der Informationsverarbeitung und sie führt auch zu mannigfaltigen Formen von Wissen, Fertigkeiten Fähigkeiten. Wahrnehmen meint den Datengewinn mit allen entdeckten und noch zu entdeckenden Sinne. Das Handeln umfaßt jede effektive Einwirkung auf die Dinge, alle Handwirckungen, alles symbolisches Darstellen, jede Transformation von Energie, Materie und Information in der Umwelt der Menschen/Praktiker.

Die Praktiker emergieren immer zugleich, aber mit unterschiedlicher Gewichtung als Wahrnehmender, Denker und Handelnder - und dies in jeder Praxis. Durch den unvermeidlichen Einsatz ihrer basalen Praktiken schaffen sie ihre einzigartige Biographie und werden zu Persönlichkeiten.


Wenn betont werden soll, daß die Praktiker ihre Aktivitäten im Ensemble drei Praktiken ausführen, spricht das NTD - in Ermangelung bessere Ausdrücke - von den Praktizierenden, weil dieses Wort eben eine enge Beziehung zu den Praktiken hat. Aber der Praktiker vollführt mannigfaltige Aktivitäten in seiner Praxis. Er tritt insoweit immer auch als Akteur auf und ist auf Programme angewiesen.

Die Räume, Dinge und Zeiten der Praktiken

Es sind grundsätzlich drei Klassen von Beziehungen zwischen den Praktikern (Subjekten) und den Dingen (Objekten) zu unterscheiden, je nachdem, ob sie wahrgenommen, überdacht oder behandelt werden.
Jede Praktik hat ihre eigene Zeit, schafft sich ihre Dinge und Räume auf spezifische Weise.
Jede Praktik hat ihre eigene Zeit.
Jede Praktik schafft sich eigene Räume und Körper.
In jeder Praktik emergieren die Dinge anders: Die Menschen nehmen die Welt und ihre Bestandteile als mannigfaltige Phänomene wahr, sie konstruieren sie im Denken zu komplexen Objekten und machen sie zu Gegenständen ihres Handelns. Sie nehmen die Zeit als Wandel der Welt und den Wandel als Gewebe von Prozessen wahr, denken ihn als Transformation von Dingen und gestalten ihn in der Arbeit nach den Zwecken ihrer Praxis.

→ Emergenz der Dinge
Es gilt die Regel: Unterscheide die unterschiedlichen Räume, Zeiten und Dinge der drei Praktiken!

Das läßt sich als Triadentrias modellieren, wobei die Faktoren der Faktorentrias die drei Parameter der Welt (RaDiZe) bezeichnen.

Praktken

Die Unterscheidung der Praxisräume, -dinge und -zeiten nach den Praktiken ist innovativ und obligatorisch für den triadischen Praktiker. Raum, Zeit und Dinge einer jeden Praxis entstehen andererseits erst durch das Zusammenspiel von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsräumen, -zeiten und -dingen. Häufig gibt es Konflikte zwischen diesen Räumen, Zeiten und Dingen.
Für die Interaktion der Praktiken gilt, wie für alle Relationen zwischen den Faktoren der Trias, die Interaktionstypentriade: Konkurrenz (Gegeneinander), Kooperation (Miteinander), Koexistenz (Nebeneinander).


Wir sind es gewohnt, daß manche (Teil-)Disziplinen sich mit der Wahrnehmung, andere mit dem Denken, andere mit Speichertechniken, wiederum andere mit dem Handeln und der Anwendung des Wissens befassen. Wie die Arbeitsteilung auf anderen Feldern hat uns auch diese viele Vorteile und mächtigen Erkenntnisfortschritt gebracht. Aber sie hat auch erhebliche Nachteile, und es scheint an der Zeit, nunmehr das Zusammen- und Gegeneinanderwirken der auseinandergerissenen Teile in den Vordergrund zu stellen. Es ist ohnedies unvermeidlich, daß dies in der Praxis immer geschieht. Man kann es nur durch einseitige Prämierungen, die bis zur Verleugnung der andere Praktiken gehen kann, verdrängen.
Die Kluft zwischen Theorie (Denken) und Empirie (Wahrnehmen und Experimentieren) haben Kultur- und Wissenschaftshistoriker vielfach beschrieben. Was weniger klar herausgearbeitet wurde, ist die triadische Interdependenz der drei Praktiken.
Erst in dem Augenblick, in dem auf das Zusammenwirken der drei Praktiken mehr Wert als auf die isolierte Perfektionierung gelegt wurde, der Beobachtung und dem Experiment ein ähnlicher Rang wie dem Denken zugestanden wurde, begann der Aufstieg der modernen Wissenschaften und damit auch Europas.

Die Parameter der Welt, Zeiten, Räume und Dinge, sind für die drei Praktiken unterschiedlich wichtig.

Im Handlungsraum geht es immer um das Vorher und Nachher. Insofern prämiert das Handeln die Zeit. Der richtige Zeitpunkt für das Handeln, die Ordnung der Teilhandlungen zu Ablaufschemata, die Frage, wann Handlungen abzuschließen sind, damit ist jedes Handeln beschäftigt. Klar, daß auch der 'richtige' Raum, oder 'interessante' Dinge Auslöser für Handeln sein können. Aber nach der Wahrnehmung der Aufmerksamkeit erheischenden Dinge und Orte setzt sofort wieder die Planung des Handlungsablaufs ein.
Die visuelle Wahrnehmung schafft zunächst visuelle Räume. Es gibt ein Vorne und ein Hinten, die Dinge können verdeckt sein, und dann muß man sich selbst bewegen, um die Dinge zu erkennen. Auch das Hören und Tasten schafft je eigenen Räume, Hallräume, Körper mit Oberflächen. Insofern prämiert das Wahrnehmen räumliche Parameter. Man kann die Zeit nicht an sich wahrnehmen sondern nur durch die Veränderung der Dinge und Räume.
Das Denken richtet sich auf Dinge, die als Objekte modelliert werden. Keine Analyse, keine Synthese, kein Typisieren und Klassifizieren ohne Repräsentationen von Dingen. Selbst wenn Räume und Zeiten zu Objekten des Denkens werden, werden sie zunächst verdinglicht, ontologisiert, und können dann erst nachträglich dynamisiert und in Beziehungen gesetzt, relativiert werden. Es gibt ein Primat des Dinglichen. Ansonsten wäre die Bedeutung ontologischer Philosophien unverständlich.

In jeder Praxis sind die Praktiken Wahrnehmen, Denken und Handeln ungleich verteilt.
Eine Möglichkeit, die Spezifik der Praxis zu bestimmen ist es deshalb die Anteile der Faktoren am Gesamtprozeß zu bestimmen.

Welchen Rang nehmen die Praktiken im Praxiskonzert ein? Diese Frage läßt sich nicht nur für die menschliche Praxis sondern genauso für die soziale und kulturelle Praxis stellen. Manche Kulturen finden ihrer Identität eher im kollektiven Handeln, z.B. im Rhythmus des Tanzes, andere gelten - nicht ganz aus der Luft gegriffen - als Dichter und Denker, die Ideologien brauchen, um zu gemeinsamer Praxis zu kommen. Und so gibt es auch Menschen, die hochsensibel sind und solche, denen beständige motorische Aktivität die höchste Befriedigung verschafft. Und natürlich gibt es mehr oder weniger fördernde Beziehungen zwischen den so oder so ausbalancierten Kulturen und den Prämierungen, die Menschen zwischen den Praktiken vornehmen.


Praktiken
Praktiken

Die Prämierungen der Praktiken sollten von den Funktionen der Praxis abhängen - und die Funktionen sollten ihrerseits Rangordnungen hervorrufen.

Die materielle Produktion, z.B. im Handwerk, wird an den Produkten, dem Werk, nicht an den vielfältigen Planungen und Wahrnehmungen gemessen. Das drückt sich schon perfekt in dem zusammengesetzten Wort 'Handwerk' (durch Hände geschaffene Werke) aus. Und der Handwerker selbst wird unruhig, wenn zu viel Diagnose betrieben und geplant wird. Es wird als Ausdruck mangelnder praktischer Fähigkeiten verstanden - und manchmal gewiß auch mißverstanden. Handwerkliche Praxissysteme sind solche, die die Funktion haben, Werke zu schaffen. Meist wird die Funktion der Praxis im Alltag genannt. Man hat dann einen guten Zugang zum Verständnis des Praxissystems.

Die Triade der Praktiken gilt für alle Klassen der Praxis. Sie kann für menschliche, soziale und kulturelle Praxis und für weitere Objekte verwendet werden. Je nach den Praxisfeldern emergieren die Praktiken jedoch in unterschiedlichen Formen und deshalb sind häufig terminologische Veränderungen empfehlenswert.

So bleiben wir bei der Beschreibung der dynamischen Dimension der menschlichen Praxis bei den Begriffen Wahrnehmen, Denken und Handeln. Bei der Beschreibung der sozialen und kulturellen Praxis vermeiden wir Anthropomorphismen und nutzen die informationstheoretische oder andere Terminologien. Die Rede z.B. von 'kulturellem Gedächtnis', 'sozialem Bewußtsein', 'gesellschaftlicher Wahrnehmung' usf. verstellt nur zu leicht den Blick auf die Unterschiede zwischen menschlicher und sozialer bzw. kultureller Informationsverarbeitung, wenn denn überhaupt der Versuch gemacht wird, die Metaphern zu klären.

Die Praktiken der Praktizierenden als organische Aktivitäten

Wenn das NTD von der Trias der Praktiken spricht, meint es nicht nur die Organe des Menschen sondern auch deren Aktivierungen/Funktionsweisen.Die Praktiken werden sowohl als organische Ausstattungen der Menschen als auch als Medien oder als Prozeßtypen betrachten, mit denen sie ihr Verhältnis zu den Objekten der Umwelt herstellen. Wahrnehmen, Denken und Handeln sind unvermeidliche Aktivitäten der Praktiker. Sie können immer eingesetzt, aktiviert werden. Sie funktionieren irgendwie immer - mehr oder weniger gut. Insofern kann man die Praktiken als permanente Aktivitäten bezeichnen.
Niemals vollführen die einzelne Praktiken nur eine Aktivität. Sie laufen als zahlreiche Prozesse mit unterschiedlichen Richtungen ab. Die mannigfaltige Aktivierung der Praktiken in jeder Praxis bedeutet einerseits Reichtum an Möglichkeiten andererseits verlangt sie Prämierungen.
In jeder Praxis müssen die Praktiken auf Ziele ausgerichtet und entsprechend programmiert werden. Diese Funktionalisierung bestimmt und begrenzt ihren Geltungsanspruch.


Handeln, Wahrnehmen und Denken haben generell unterschiedliche Funktionen und damit auch je spezifische Erfolgsbedingungen. Der Erfolg materiellen Handelns zeigt sich in den materiellen Produkten: Sie können den Plänen entsprechen und funktionieren oder eben nicht. Für die Wahrnehmung zählt die angemessene Perspektive und die erzeugte Datenfülle. Beim Wahrnehmen muß man fragen, ob die Ergebnisse, die Daten, die beobachtete Umwelt in irgendeinem Sinne widerspiegeln, adäquat und intersubjektiv überprüfbar repräsentieren. Seit der Renaissance spricht man deshalb von richtigen/'rechten' (perspektivische) Wahrnehmungen.

Nur in bezug auf das (logische) Denken werden seit der Antike Wahrheitsansprüche gestellt. Es gibt danach wahre Aussagen - aber keine wahre Wahrnehmung und kein wahres Handeln.

Nur für einen Teil der Praxis, dem Denken, stellt sich also - neben anderen Kriterien - auch das Wahrheitsproblem.
Aber natürlich: Ohne Wahrnehmung bleibt das Denken leer. Und ohne Materialisierung im Handeln fehlt die Bestätigung.


Je nach den Aufgaben/Funktionen der Praxis werden sie funktionalisiert. Das gelingt niemals vollständig. Neben den funktionalen Aktivitäten wirken auch andere Aktivitäten - mehr oder weniger latent bzw. gesteuert. Jede funktionale Aktivität der Praktiken ist eine Auswahl aus einem großen Pool der organisch möglichen Aktivitäten. Die Anzahl der möglichen funktionalen Aktivitäten ist deshalb nicht abzählbar.
Dies schafft allen Theorien menschlicher Wahrnehmung, menschlichen Denkens und jeder Handlungstheorie Probleme. Sie müssen immer mit offenen Listen von Aktivitätsklassen und -arten arbeiten. Die TriPrax geht mit diesem Problem so um, daß sie die Definition der Aktivitäten grundsätzlich von den Funktionen der konkreten Praxis abhängig macht.
Aktivitäten dienen den Praktikern zur Erfüllung der Funktionen der Praxissysteme. Sie sind - mehr oder weniger - funktional.
Zwischen diesen Aktivitäten gibt es grundsätzlich keine Hierarchie, sie sind immer zugleich vorhanden. Aber in jeder konkreten Praxis werden durch die Funktionssetzung bestimmte Aktivitäten besonders wichtig. Ihr Einsatz tritt in den Vordergrund.
Im zweiten Schritt können über die Bildung von Praxistypen/Artmodellen aufgrund gemeinsamer Funkionen auch Arten von Aktivitäten beschrieben werden. Sie werden dann durch die Funktionen bzw. Aufgaben der Praxis definiert. Nun gibt es Aufgaben, die in jeder Praxis auftauchen und solche, die nur für eine einzelne Praxis oder Praxisart konstitutiv sind. Die erste Klasse der Aufgaben werden als 'permanente Probleme' bezeichnet, die zu ihrer Bewältigung eingesetzten Aktivitäten heißen 'obligatorische Aktivitäten'.
Die obligatorischen Aktivitäten sind solche, die zur Bewältigung permanenter Probleme der Praxis immer einzusetzen sind. Das NTD definiert die obligatorischen Aktivitäten also auf der Basis immer und in jeder Praxis vorhandener Probleme. (Deshalb ist es nur eine Frage der Perspektive, ob man von obligatorischen Aktivitäten der Praktiker oder den permanenten Problemen der Praxis spricht.)
Alle Aktivitäten brauchen Zeit, erzeugen Prozesse und eröffnen damit eine dynamische Dimension der Praxis.

Die Praktiken als Komplexitätsbewältigung

Ein Schicksal des Menschen ist, daß er weder die Welt in ihrer noch sich selbst in seiner Mannigfaltigkeit belassen kann. Die Mannigfaltigkeit erscheint ihm als Komplexität, die es zu bewältigen gilt.
Als endliches Lebewesen mit begrenzten Ressourcen steht der Mensch vor dem permanenten Problem der Komplexitätsbewältigung.
Komplexitätsbewältigung ist eine Daueraufgabe für die Menschen, die erst mit dem Tod endet. (Für die leblosen Dinge setzt sich der Wandel ewig fort.) Jeder Mensch baut im Ergebnis die Mannigfaltigkeit der Umwelt und von sich selbst in eine Komplexität um, die seinen Ressourcen angemessen sein sollte. Fehleinschätzungen kommen vor. Vom Standpunkt des Menschen als Subjekt von Praxen aus gesehen, dienen alle Praktiken und Aktivitäten der Komplexitätsbewältigung. Zu bewältigen sind die Komplexitäten aller Elemente der Welt und von deren Komponenten.
Es gelten die Modelle der Komplexität (Quantität, Qualität, Komposition) und der Komplexitätsbewältigung: Steigern, Halten, Vermindern.
Alle Praktiken und andere Aktivitäten der Praktiker als sich als Komplexitätsbewältigung verstehen und gestalten.
Sic! Das NTD reduziert die Komplexitätsbewältigung nicht auf die Bewältigung informativer Komplexität durch welche Formen der Informationsverarbeitung auch immer. Auch → Materie und → Energien sind komplex und werden in den individuellen sozialen und kulturellen Praktiken gesteigert, reduziert und erhalten. Das NTD teilt die in der Literatur häufige Reduktion der Komplexitätsbewältigung auf den Faktor 'Vermindern' nicht! Auch Komplexitätsbewältigung will triadisch gefaßt werden.

axiomatik, id165, letzte Änderung: 2023-06-06 11:01:45

© 2023 Prof. Dr. phil. habil. Michael Giesecke